Greifswald

Partnerschaft für Demokratie

Rückblick: Eröffnungsveranstaltung der Wochen gegen Rassismus in Greifswald am 15.03.2022

Am 15.03. wurden die Internationalen Wochen gegen Rassismus in Greifswald mit einem Grußwort des Oberbürgermeisters eröffnet. Dr. Stefan Fassbinder betonte, dass Rassismus nicht negiert werden dürfe und dass es wichtig sei aufzustehen und auf Rassismus hinzuweisen. Den inhaltlichen Auftakt der Eröffnungsveranstaltung in der Fischerschule machte ein Videobeitrag zur Studie “Die geforderte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2020/21”. Die sogenannte Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Studie führt alle zwei Jahre eine repräsentative Umfrage zur Demokratieeinstellung durch. Herauszustellen ist, dass die gesellschaftliche Mitte gefordert ist sich zu positionieren. Als größte aktuelle Herausforderungen nennt die Studie Rechtsextremismus und Klimawandel. Im Anschluss richtete die Integrationsbeauftragte der Landesregierung MV, Jana Michael, ihr Wort an die Zuhörenden. Als langjährige Vertreterin einer Migrantinnenselbstorgansiation begegnen ihr täglich Berichte von Rassismus. Mit Blick auf die aktuelle Kriegssituation betonte sie, dass Solidarität nicht exklusiv sein darf. Menschen fliehen aus vielen verschiedenen Kriegs- und Krisenregionen und benötigen Schutz. Gemeinsam mit Prof. Dr. Christine Krüger, Professorin für Sozialwissenschaften / qualitative Sozialforschung an der Hochschule Neubrandenburg, arbeitet Jana Michael an der Studie Lagebild Rassismus in MV, ein partizipatives Forschungsprojekt, in dem Rassismuserfahrungen von Frauen in MV erforscht werden. Für die Studie wurden ausschließlich Frauen befragt, weil diese in mehrfacher Hinsicht von Diskriminierung betroffen sind. Prof. Dr. Christine Krüger berichtete, dass Frauen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen von Rassismus betroffen sind. Beispielhaft erörterte sie die schulische Bidlungslaufbahn. Hier zeigt die Studie deutlich, dass Bildungschancen entscheidend von der sozialen Herkunft und nicht den Leistungen abhängen. Dieses Phänomen hat sich in den letzten 20 Jahren nicht verändert, obwohl es seit Jahrzehnten bekannt ist.

Anschließend diskutierten Jana Michael und Prof. Dr. Christine Krüger mit Jada Ladu, Asta-Referent für Internationales und Antirassismus an der Universität Greifswald, Ramia Ouazouaz, Projektkoordination des House of Resources Greifswald, und Dr. Mohammad Alkilzy, Vorsitzender des Islamischen Kulturzentrums Greifswald. Dr. Mohammad Alkilzy belegte die Ergebnisse der Studie Lagebild Rassismus in MV mit eigenen Erfahrungen und berichtete von rassistischen Anfeindungen, die vor allem Frauen betreffen. Sie erleben Diskriminierung, weil sie Frauen sind, weil sie Ausländerinnen sind und weil sie Kopftuch tragen. Ramia Ouazouaz bestätigte, dass es für Menschen mit Rassismuserfahrungen in den eigenen Gemeinschaften und Gruppen Sicherheit und Unterstützung gibt. Aufgrund von Anfeindungen im Alltag bestehen Ängste öffentliche Räume zu betreten. Eine gesellschaftliche Sensibilisierung für Rassismus und Diskriminierung ist bedeteutend für die Arbeit von Ramia Ouazouaz, da ein zentrales Anliegen des Projektes House of Resources die Förderung des Engagements von Migrant*innen ist, die häufig Rassismuserfahrungen machen. Das Projekt kann nur in einer offenen, diskriminierungssensiblen Gesellschaft nachhaltig erfolgreich sein. Mangelnde Sensibilität konnte auch Jada Ladu bestätigen. Zwar gibt es an der Universität Greifswald Stellen wie die Gleichstellungsbeauftragte und das International Office, an die sich Menschen mit Rassismuserfahrungen wenden können. Allerdings bestätigten alle Teilnehmenden der Diskussion, dass eine Antidiskriminierungsstelle, die als Anlaufstelle für Menschen, die von Rassismus und anderen Diskriminierungen betroffen sind, in der Stadt Greifswald fehlt. Jada Ladu machte darauf aufmerksam, dass Daten zu Rassismuserfahrungen erfasst werden müssen und Maßnahmen deutlicher und mit einem festen Ablauf umgesetzt werden sollten.

Ein weiteres Problemfeld eröffnete Dr. Mohammad Alkilzy. Der Verein Islamisches Kulturzentrum hat seit Gründung in den 1990er Jahren erst zweimal geringe Beträge städtischer Förderung erhalten. Es fehlt an Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für migrantische Organisationen, nicht nur, aber auch im Bereich der Finanzierung von Engagement. Islamfeindlichkeit muss genauso wie Antisemitismus in den Fokus der gesellschaftlichen Debatte gerückt und Präventionsmaßnahmen ergriffen werden, betont Dr. Mohammad Alkilzy.

Prof. Dr. Christine Krüger berichtete, dass Ergebnisse aus der Studie Lagebild Rassismus in MV und weitere Studien der Hochschule Neubrandenburg zum Thema Rechtsextremismus in MV in die Lehre der sozialen Arbeit einbezogen werden. Das kann ein erster Schritt zu einem Wandel in Bildungseinrichtungen sein.

Zusammenfassend bestätigte Jana Michael, dass für Antidiskriminierungsmaßnahmen und im Speziellen für Anti-Rassismusarbeit eine langfristige Finanzierung von Projekten und Maßnahmen nötig ist. Rassismus ist ein strukturelles Problem, für das es kontinuierliche Arbeit braucht.

Die Forderungen und Themen der Diskussion nimmt Anita Völlm, Koordinatorin der Partnerschaft für Greifswald in ihre Arbeit mit. Sie wird sich dabei mit der Integartionsbeauftragten und dem Präventionsbeauftragten der Stadt Greifswald insbesondere über Möglichkeiten austauschen, an welcher Stelle in der Stadt Vorfälle von Diskriminierungen aufgenommen werden können. Erste Ideen dabei wurden bereits gesammelt. So könnte sich im Rahmen der jährlich stattfindenden DemokraTische ein Tisch Vorfällen von Diskriminierungen widmen und Anlaufpunkt sein, mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen. Ebenso könnte eine der Sprechstunden des Oberbürgermeisters ausschließlich diesem Thema gewidmet sein und auch eine Sprechstunde des Präventionsbeauftragten ist denkbar. Der Kinder- und Jugendbeirat geht hier bereits voran und veranstaltet am 21.03. um 16:30 Uhr ein offenes Kinder- und Jugendforum im Jugendzentrum Takt unter dem Motto: Lasst uns über Rassismus reden! Hier sollen Kinder und Jugendliche, die von Rassismus betroffen sind, zu Wort kommen. Ebenso haben sich Jada Ladu, Dr. Mohammed Alkilzy und Anita Völlm verabredet in ihrem Engagement gegen Rassismus nicht locker zu lassen und den Aktionstag gegen antimuslimischen Rassismus am 01. Juli für eine weitere gemeinsame Aktion zu nutzen.