Greifswald

Partnerschaft für Demokratie

Offener Brief des Bündnis Schon vergessen?

Wir veröffentlichen hier einen offenen Brief des Greifswalder Bündnis Schon vergessen?

Zudem findet am Donnerstag, 2.12. von 14 bis 16 Uhr eine Kundgebung des Bündnisses statt

Motto: „Gegen die Vertreibung von Obdachlosen. Die Innenstadt ist für alle da!“

Stoppt die Vertreibung von Obdachlosen aus der Greifswalder Innenstadt! Obdachloser vertrieben – am Todestag von Eckard Rütz 

Frank von der Bank (Frank Klawitter) und D. wurden gestern am 25. November von ihrem derzeitigen Wohnort am Greifswalder Mühlentor neben dem Kioskgebäude mit Klohäuschen, durch die Ordnungsbehörden der Stadt vertrieben. Vor genau 21 Jahren wurde an derselben Stelle der Obdachlose Eckard Rütz von drei Neonazis auf brutalste Art ermordet. Der 25. November ist seitdem in Greifswald ein Tag der Mahnung zu einem menschlichen Umgang mit Wohnungslosen. Die Stadtverwaltung hat diesen Toten jahrelang unter den Tisch gekehrt, erst durch Antifa-Initiative gab es ein öffentliches Gedenken. Jetzt will sie auch Frank und D. aus dem Stadtbild verdrängen und unsichtbar machen – pünktlich zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes.


Am Morgen des 25.11. warfen 10-12 Polizisten und Ordnungsamt alle Sachen von Frank und D. in einen Container, darunter auch private Habseligkeiten wie Fotos, eine Bibel und die Matratze von Frank. Er konnte grade noch sein Klappbett sichern und einen Schlafsack. Gerade in der Pandemie sind Wohnungslose auf eigene Gegenstände angewiesen. Den beiden wurde untersagt an der Mensa ihr Lager aufzubauen und sie sollten auch nicht auf den Wall gehen, sondern woanders hin. Auf Nachfrage sagte eine Stadtvertreterin, der Termin sei unglücklich gewählt, aber es gehe ja nicht, dass „die Herren“ sich immer weiter ausbreiten. Die Stadtverwaltung verkennt damit jedoch völlig das eigentliche Problem: Die Vertreibung von Obdachlosen von einem Ort, an dem es für sie erträglich ist, zugunsten einer geleckt sauberen Stadt.


Die Wahl des Termins dafür macht nur noch zusätzlich die Skrupellosigkeit, völlige Pietätlosigkeit und Geschichtsvergessenheit der Verantwortlichen deutlich.


Frank erhielt acht Tage zuvor durch seinen Betreuer eine „Untersagung der Sondernutzung der öffentlichen Verkehrsfläche“. In dem Schreiben ist aufgeführt, dass er durch seine Gegenstände die öffentliche Fläche in Anspruch nehme und dies die „öffentliche Sicherheit und Ordnung beeinträchtige“. „Die öffentliche Verkehrsfläche kann durch andere Verkehrsteilnehmer nicht benutzt werden.“ Er bräuchte eine Sondernutzungsgenehmigung, die das Amt schonmal im Vorhinein ausschließt. Für die Räumung seiner Sachen soll er 550 € zahlen. 


Die öffentliche Sicherheit und Ordnung wird nicht durch Frank und D. bedroht, sondern durch den Abteilungsleiter des Grünflächenamtes, der mit dieser Vertreibung dafür sorgt, dass die beiden nun auch noch den Schutz der Öffentlichkeit an einem hellen, überdachten Ort mit vielen Passanten verlieren.Eckard Rütz wurde an einer dunklen Stelle neben der Mensa vor 21 Jahren ermordet – offensichtlich haben die Verantwortlichen das SCHON VERGESSEN. Auf Frank gab es schon mehrere Angriffe, wie er sagt. Wenn die Betroffenen sich nicht selbst schützen dürfen, wer tut es dann?
Jeder, der schon einmal nur ein einziges Wort mit Frank gewechselt hat, weiß, dass er ein unglaublich umgänglicher, höflicher Mensch ist, der sich gerne unterhält und Menschen schnell an seinen Tisch einlädt. Die öffentliche Verkehrsfläche von ganzen 4m², die er in Anspruch nahm, war vorher ein leeres Kopfsteinpflaster, das niemand genutzt hat (und sogar in Absprache mit dem Kioskbetreiber). Seitdem Frank dort ist, ist es ein Ort der Begegnung geworden. Jeder „Verkehrsteilnehmer“ kann die Fläche mitnutzen und bekommt dabei sogar noch ein paar nette Worte oder Tipps im Umgang mit dem öffentlichen WC auf den Weg. Frank stört dort niemanden und nimmt niemandem etwas weg. Ein Großteil der Beschwerden über ihn resultieren wohl eher aus Vorurteilen, als aus einer Bedrohung.


Bereits im Frühjahr 2021 wurde Frank von seiner Bank am Mühlentor vertrieben – der Immobilienhändler F. Müller, welcher die Bank als sein Privateigentum beansprucht kam höchstpersönlich vorbei und schnitt Franks Plane durch. 
Die Vertreibung von armen Menschen aus der Innenstadt durch Sanierung, Privatisierung und teurere Mieten ist ein jahrelang schleichender Prozess. Gleichzeitig berichtet die Wohnungsgesellschaft der Stadt WVG jedes Jahr von Millionen-Gewinnen und lässt Luxus-Wohnraum subventionieren. Frank leistet allein durch seine Anwesenheit an einem öffentlichen Ort Widerstand und ist deshalb den Ordnungswütigen ein Dorn im Auge. Er lässt sich nicht einfach abspeisen und weiß selbstbestimmt was er will: Eine bezahlbare Wohnung im Erdgeschoss in der Innenstadt. Wegen seiner Krankheit und weil er seine sozialen Kontakte in der Innenstadt hat und nicht vereinsamen will. Aus diesen Gründen hat er andere Wohnungen abgelehnt. Im Obdachlosenhaus fühlt er sich unwohl und er will eine langfristige Lösung. 


Das steht ihm zu. Und es steht auch anderen zu.


Oberbürgermeister Dr. Fassbinder lässt verlautbaren, er will „den Obdachlosen weiterhin jegliche in seiner Macht stehende Unterstützung anbieten“ – in seiner Macht würde beispielsweise stehen sie nicht zu vertreiben und ihnen eine angemessene Wohnung über die WVG zur Verfügung zu stellen.


Wir fordern:

– Gebt Frank seine Sachen zurück! Er braucht sofort Regenschutz!

– Sofortiges Zurückziehen der Strafe/ Beräumungskosten!

– Keine Vertreibung von Obdachlosen aus dem öffentlichen Raum!

– Kein Bettelverbot an öffentlichen Orten!

– WVG und WGG: Stellen Sie Wohnraum bereit für Wohnungslose! Die Loeffler-Straße 8 und 44 stehen seit Jahren ungenutzt leer

– Öffnen Sie die Häuser für Wohnungslose noch vorm Kälteeinbruch! 

– Eine soziale Lösung für alle, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, wie die Bewohner_innen des ehemaligen „Müllerblocks“ in der Makarenkostraße!